Was meinen wir eigentlich, wenn wir sagen, dass Menschen ersetzbar sind oder dass jemand ersetzt wird, durch eine Maschine oder einen anderen Menschen zum Beispiel? Welche Vorstellung vom Einzelnen und seinen Eigenschaften und Interaktionen steht dahinter?
Mit diesen Fragen beschäftige ich mich in meinem neuen Aufsatz, anhand eines vielleicht erst einmal überraschenden, aber erstaunlich aufschlussreichen Gegenstandes. Im Mittelpunkt meiner Untersuchung steht Ich war Jack Mortimer, ein rasanter Krimi, verfasst von Alexander von Lernet-Holenia. Aus literaturphänomenologischer und narratologischer Sicht widme ich mich dem Thema Identität, um das der ganze Roman kreist.
Die Handlung ist spannend: Ferdinand Sponer ist ein Taxifahrer, der am Wiener Westbahnhof einen Fahrgast aufnimmt, um ihn zum Hotel Bristol zu fahren. Dort fast angekommen, stellt er fest, dass der Mann tot ist. Er gerät in Panik, weil er vermutet, dass man ihn für den Mörder halten wird und dass er dies deshalb nicht glaubhaft wird abstreiten können, weil er den Mord gar nicht bemerkte. Zwei Versuche, Polizisten auf sich aufmerksam zu machen, scheitern. Die Zeit rennt. Sponer beschließt, die Leiche verschwinden zu lassen und die Rolle des Mannes einzunehmen, der ausweislich seiner Papiere Jack Mortimer hieß. Er wirft die Leiche in die Donau und checkt selbst im Bristol ein, um am nächsten Morgen „abzureisen“, damit der Anschein entsteht, Mortimer sei dagewesen, womit Sponer im Zweifel entlastet wäre. Spät abends trifft Winifred im Hotel ein, Jack Mortimers Geliebte, dicht gefolgt von ihrem eifersüchtigen Ehemann Montemayor. Sie trifft auf Sponer, der flieht zu seiner Freundin Marie und beauftragt sie, Geld aus seiner Wohnung zu holen, damit er sich ins Ausland absetzen kann, um der Gefahr einer Verhaftung zu entgehen. Marie wird von der inzwischen alarmierten Polizei aufgehalten und kehrt nicht, wie erwartet, bald zurück, sodass Sponers Panik sich verstärkt. Er kehrt daher nun seinerseits ins Bristol zurück, um sich ins Unvermeidliche zu fügen und sich als Mortimers Mörder der Polizei zu stellen. Die Polizei verhört dort Winifred, die gerade ihren Mann erschossen hat. Sponer scheitert in dieser angespannten Situation ein drittes Mal daran, die Aufmerksamkeit der Polizei auf sich zu lenken. Er geht zu der sozial über ihm stehenden Marisabelle, die ihm eine Liebesnacht gewährte, weil sie davon ausging, dass er den Mord begangen hatte und ins Gefängnis gehen würde; da er nun eingesteht, es nicht gewesen zu sein, verstößt sie ihn. So geht er wieder zu Marie, die ihn fragt, was er denn nun eigentlich getan habe. Er antwortet: „Ich war nur auf dem Weg zu dir. Ich war Jack Mortimer.“
Wie läuft das nun mit dem Ersetzen? Mein Aufsatz „Identität in Alexander Lernet-Holenias Ich war Jack Mortimer aus phänomenologischer und narratologischer Sicht“ steht in folgendem Band:
Hg. Margit Dirscherl und Oliver Jahraus
Würzburg: Königshausen & Neumann, 2020