In Zeiten elektronischer Publikationen freut man sich an der Haptik im Buchdesign, am Objekt Buch, wenn es wunderschön ist, gut in der Hand liegt, schön gestaltet und schön gebunden ist, wenn gutes Papier dabei ist und die Farben in verschiedenem Licht immer wieder neu aussehen. Die Interaktion aus Typographie, Material und Bildelementen führt zu einer optischen Anmutung, die einem das Buch ans Herz wachsen lässt.
Buch oder Bildschirm?
Wenn es das eigene Buch ist, kommt noch etwas anderes hinzu: Man kennt ja zunächst Notizen zu Texten, dann Word-Dokumente, pdfs, ausgedruckte Vorstufen, dann all möglichen E-Mails, in denen über das Buch gesprochen wird, Pläne und Entwürfe, alles auf dem Bildschirm, alles im Fluss, alles immer noch sehr privat. Das Objekt Buch ist dann plötzlich ganz anders: Es ist ein Gegenstand, es ist fertig, und es liegt auch anderen vor. Gerade über die beiden letzten Punkte komme ich immer öfter ins Grübeln.
Ich glaube schon, dass die Unveränderlichkeit des Buches (wenn man mal von Kaffeeflecken und Rissen und sowas absieht) ein wichtiger Unterschied gegenüber dem ist, was wir auf dem Bildschirm sehen. Wir können zum Bildschirm nie eine so vertrauensvolle Beziehung aufbauen, weil uns von dort immer wieder etwas entgegenspringt, mit dem wir nicht gerechnet haben — Fenster und Widgets und Vorschauen, die sich aufgrund irgendwelcher Einstellungen plötzlich öffnen. Das Buch können wir einfach so anschauen, wir können dabei verweilen und werden nicht irgendwann daran erinnert, dass wir nur noch 9% Batterie haben, dass die Druckerpatrone gleich leer ist, der Spamschutz in 17 Tagen ausläuft und wir in 15 Minuten ein Skypemeeting haben. Das Buch ist ruhig — nicht passiv, sondern verlässlich. Wie gesagt, das klingt ein bisschen spekulativ, aber wie dasjenige ist, was uns entgegentritt und entgegenschaut, ist schon wichtig. Die Haptik im Buchdesign ist eine oft übersehene Qualität des Buches.
Buch und Blick
Der andere Punkt betrifft die Tatsache, dass das Buch so, wie es uns vorliegt, auch anderen vorliegt. Wenn man an Texten arbeitet, sieht man erstmal lange durch sie hindurch. Man sieht das, was man formulieren will. Den Abend am Strand. Die hitzige Diskussion im Pub. Das Gemälde von Anselm Kiefer. Und dann sieht man irgendwann lauter kleine Buchstaben: wenn man den formulierten Text korrigiert. Buchstabe für Buchstabe. Wenn dann das Buch da ist, tritt etwas hinzu, oder besser: Was da Buchstabe für Buchstabe vor uns lag, tritt wieder einen Schritt zurück. Es entfernt sich von uns. Und weil es etwas weiter entfernt ist, können nicht nur unsere eigenen Blicke, sondern auch die Augen anderer darauf ruhen. Das Wissen davon — oder das Gespür dafür –, dass wir gerade etwas tun, was jemand anderes auch gerade in aller Stille und Zuversicht tut, hat etwas tröstliches. Und es unterscheidet sich vom Blick auf den Bildschirm, wie ihn jemand anderes ja vielleicht auch gerade auf seinen Bildschirm wirft. Klickzahlen lassen sich messen. Aber den ruhigen Blick auf das eigene Buch, das einmalige Objekt, das doch irgendwie auch woanders noch gegenwärtig ist, lässt sich damit nicht vergleichen.
So, das war vielleicht etwas esoterisch, deshalb hier auch zwei schöne Bilder, verlinkt auf die Seite der Grafikdesigner Kraft plus Wiechmann, denen ich sehr dankbar bin!
Christophe Fricker
Meet Your Party. Gedichte/Poems
ISBN: 978-3-942375-17-7
120 Seiten, Paperback, 17,90 EUR
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