Man denkt ja immer, man weiß Bescheid. Man denkt, ich tu mir mal was Gutes. Und dann sitzt man in einem Zimmer im zehnten Stock eines Kettenhotels, dessen Fenster nicht richtig schließt, und schaut auf einen Lidl, ein paar Hochhäuser, die eine Kirche mobben, und sogenannte Wohnhäuser. Hier drin habe ich einen Safe, eine Bibel, einen Fernseher über dem Kopf und insgesamt genug Platz, mir noch die Zähne zu putzen, bevor ich ins Bett gehe. Offenbar muss man auch noch in dieser Entfernung vom Flughafen Humor haben.
Das war eigentlich Sinn der Sache: morgen aus Heathrow zu fliegen, ziemlich früh, und nicht die Nacht durchzufahren mit dem National-Express-Bus, sondern schon vorher hinzufahren, gemütlich einen trinken zu gehen, gut zu schlafen und dann eben ausgeruht loszudüsen. Damit ich dann morgen ausgeruht in Hannover, „der fahlsten unserer städte“ ankomme und weiter ins nicht gerade appetitlich benannte Braunschweig ziehe, um dort – der regelmäßige Leser dieser Seiten wird es nicht anders erwarten – einen Kurs über den Humor zu geben.
Ich sitze hier also an einem der humorfernsten Orte einer dem europäischen Festland in prekärer Nähe vorgelagerten Insel und versuche, meinen Plan zu retten. Das ist gar nicht leicht, denn bei der Herfahrt vom Central Bus Terminal habe ich wieder mal gemerkt, dass Heathrow ganz schön groß ist und dass daher ein Hotel „in der Nähe“ des Flughafens liegen kann, ohne dass dieser schnell zu erreichen ist. Außerdem ist mein namen-, gesichts- und humorloses Kettenhotel sogar noch außerhalb der Fare Free Zone gelegen, also beileibe nicht nah. Heathrow ist sechsmal so groß wie Monaco, und das ist ein Staat!
Also, gut. Ich komme mir vor wie in Lost in Translation und bin noch gar nicht geflogen. Heathrow hat mir jahrelang Übersetzungs-Alpträume eingebracht, weil am Eingang eine große RBS-Werbung stand: „Make it happen“. Auch nach zehn Jahren fällt mir nicht ein, wie man das genauso schön auf Deutsch sagen würde.
Wie lang ich morgen zum Flughafen brauchen werde, weiß ich nicht. Die „nette Dame“ an der Rezeption konnte mir weder sagen, wie oft die Busse fahren, noch welchen der beiden ich nehmen muss („Passen Sie auf, es gibt zwei. … – – – .“).
Man denkt in dieser Situation an die schönen Verse: „As we get older we do not get any younger. Seasons return, and today I am fifty-five, and this time last year I was fifty-four, and this time next year I shall be sixty-two.“
So geht’s mir.
(Foto von Carly and Art)