Krise und Gemeinschaft

Stefan Georges Gedichtband Der Stern des Bundes ist eines der provokativsten und ungewöhnlichsten Werke in deutscher Sprache. Am Vorabend des Ersten Weltkriegs entfaltet George hier soziale, religiöse, poetologische, persönliche, philosophische und sogar wirtschaftliche Fragen. Der Stern des Bundes galt als Voraussage kommender Katastrophen, als Warnung, als Anregung zu friedlicher und intimer Gemeinschaftsbildung im Angesicht großer Krisen und als Bekräftigung eines hoffnungsvollen Blicks auf eine gemeinsam erfahrene Welt. Krise und Gemeinschaft untersucht Georges Gedichte aus mehreren Perspektiven.

Die am Hanse-Wissenschaftskolleg (HWK) angesiedelte Study Group „Stefan George: Poetry and Personhood in Modern Europe“ erarbeitete zwischen 2012 und 2017 eine multidisziplinäre Interpretation des Stern des Bundes.

Die Tatsache, dass Kernelemente modernen Lebens überhaupt in einem Gedichtband verhandelt werden und dass Perspektiven auf verschiedene Lebensbereiche sich aus seiner Sprache neu eröffnen, regte zur multidisziplinären Arbeit an, die die Study Group vorantrieb.

Der Stern des Bundes verdient aus mindestens drei Perspektiven eine wissenschaftliche Würdigung: als dichterisches Werk; als Grundlage für Kreisbildungen und -entwicklungen sowie als Anhaltspunkt für Menschen, die für ihr auf Bildung, Gemeinschaft oder künstlerische Produktivität ausgerichtetes Handeln nach Orientierung suchen.

Unsere Interpretation äußert sich

  • zur Frage nach dem Stellenwert, den George dem Wissen zuschreibt;
  • zur Rolle der Frau, wie sie aus den Gedichten hervorgeht;
  • zur Frage nach der philosophischen Interpretierbarkeit der Gedichte und ihrer Stellung in neuplatonistischer und christlicher Tradition;
  • zu kontroversen einzelnen Gedichten, geraden den zeitkritischen;
  • zum religiösen Charakter der vom Stern entworfenen Lebensperspektive;
  • zum Verhältnis von Geist und Körper;
  • zur Umwelt des Menschen als einem schützenswerten Gut und
  • mit Bezug auf den Stern des Bundes als ungewöhnliche Dichtung zu den Kompositionsprinzipien eines Bandes, der die genannten Probleme gerade durch seine Komposition so aufwirft, dass sie als voneinander abhängig deutlich werden.

 

„Von Christophe Fricker glänzend eingeleitet.“

Cato

„Die Tendenz zur Rückbesinnung aufs Eigentliche, nämlich das dichterische Wort, ist unverkennbar.“

F.A.Z.

Das Buch ist in drei Abteilungen gegliedert, die den drei Arbeitsschritten der Study Group entsprechen, nämlich

(1) einen propädeutischen und thematischen Teil. Dieser Teil soll den Leser an den Stern heranführen und wichtige Aspekte des Werks erschließen. Er soll das Vorwissen und die Erwartungen des Lesers aufgreifen und zeigen, wie George historische, thematische und disziplinäre Kontexte anspricht und in seinem Werk überschreitet.

(2) einen Teil zu wichtigen, teils von uns in spannungsreichen Paaren oder Gruppen angeordneten Worten, die im Stern des Bundes vorkommen. Dieser Teil beschäftigt sich mit jenen Worten, die für den Stern zentral sind und dort in einer Weise vorkommen, die den gängigen Sprachgebrauch herausfordert. Im Gegensatz zur ersten Abteilung beginnt diese zweite Abteilung also jeweils nah am Text. In Auswahl, Gruppierung und Reihenfolge liegt schon entschiedene Interpretation, die aus langjähriger, teils gemeinschaftlicher Lektüre legitimiert ist.

(3) einen Teil mit Gedicht-Interpretationen. Hier werden in Einzelinterpretationen Gedichte aus dem Stern als eigenständige Texte vor dem Hintergrund ihrer Position im Werk nachvollzogen und erläutert. Dabei kommen Aspekte zur Sprache, die in den anderen beiden Abteilungen noch nicht ausführlich behandelt wurden.

Krise und Gemeinschaft

Stefan Georges Der Stern des Bundes

Hrsg. von Christophe Fricker
2017. 488 Seiten. Kt 49,00 €
ISBN 978-3-465-04328-7
Das Abendland N.F. 41