Wer als Unternehmer einen Trend anstoßen und von ihm profitieren will, muss die Stoßrichtung seiner Inhalte abschätzen. Sonst schlägt die Stunde der Faktenrache. Hierin liegt die große Chance für Geistes- und Sozialwissenschaften, der Orientierungswissenschaften. Sie verhelfen der Orientierungswirtschaft zum Durchbruch.
Noch zu oft gilt: Unternehmen scheuen sich vor der unterstellten Nutzlosigkeit der Wissenschaft, und Wissenschaftler scheuen sich vor dem Gedanken an die Nützlichkeit ihrer Forschung.
Wo diese Konfrontation überwunden wird, profitieren beide Seiten. Die Wissenschaft löst ihre Unverzichtbarkeitsbehauptung neu ein. Und Manager schaffen in immer mehr Betrieben Strukturen und eine Atmosphäre, in der sie objektives Wissen und verlässliche Informationen wertschätzen und systematisch einbinden.
Die Wirtschaft muss ihre Leistungsfähigkeit in einer immer komplexeren, besser informierten und anspruchsvolleren Gesellschaft täglich neu unter Beweis stellen. Sie kann Spielräume nur behaupten, wenn sie die Entwicklung der Wissensgesellschaft in ihrer täglichen Arbeit und in ihrer strategischen Positionierung berücksichtigt.
Gerade in der Krise braucht ein Unternehmen verlässliche, aussagekräftige Informationen. Es muss entscheiden, welcher Informationslieferant vertrauenswürdig ist. Der muss laut dem Krisenforscher Ortwin Renn sechs Eigenschaften haben: Kompetenz, Objektivität, Fairness, Geradlinigkeit, Aufrichtigkeit und Empathie. Die ersten fünf gehören zum Idealrepertoire der Wissenschaften.
Die Wissenschaften prägen unsere Gesellschaft. Sie liefern Daten und Prognosen zu akut relevanten Themen, darunter neue Visionen für den Sozialstaat, neue Formen der Teilhabe, Perspektiven dauerhafter Konfliktbewältigung zwischen Menschen und zwischen Staaten, der Umgang mit Krankheiten und Alter, der Wert häuslicher Pflege und schulischer Fürsorge und die moralische Dimension von Migration.
Entscheidende Vorteile bringt die enge, strukturierte Kooperation von Wirtschaft und Wirtschaft in der entstehenden Orientierungswirtschaft auch für die aufgeschlossenen Angehörigen der Wissensgesellschaft, die unternehmungslustigen Steuerzahler. Denn der Mensch des 21. Jahrhunderts ist nicht nur Staats-, sondern auch Wissens- und Projektbürger, er will nicht nur wählen können, sondern auch wissen und wirtschaften. Er will, dass sich Universitäten, Unternehmen und Staat gegenseitig anregen, stärken oder voranbringen. Denn immer deutlicher zeigt sich, dass die Ökonomie der Wissensgesellschaft eine Orientierungswirtschaft sein wird.
Am 12. Juni 2014 fand die Tagung “Junge Wissenschaft und Praxis” der Research Academy Leipzig und der Kompetenzschule ELSYS statt. Die Veranstaltung unter dem Motto “Wissenstransfer” brachte Wissenschaftler und Akteure aus der Welt wissensbasierter Kommunikation zusammen. Sie debattierten neue Wege des Transfers von Wissen. In Vortrag und Gespräch habe ich mein Konzept der “Orientierungswirtschaft” vorgestellt und Anwendungsbeispiele aufgezeigt. “Junge Wissenschaft und Praxis” wird im zwölften Jahr mit finanzieller Unterstützung der Hanns Martin Schleyer-Stiftung und der Heinz Nixdorf Stiftung organisiert.