Als Manuel R. Goldschmidt 2012 starb, bezeichnete Tilman Krause in der WELT ihn als den “letzten Jünger” Stefan Georges. Das war eine treffende Bezeichnung — selbst wenn man in Rechnung stellt, dass Manuel ein durch und durch aufmüpfiger Charakter war. Immerhin sah er sich zeit Lebens als “Berlin-W.-Bub”. Und auch wenn bei seiner Beerdigung viele junge Menschen anwesend waren, denen er George vermittelt hatte, lag doch ein Hauch von Endzeit in der Luft.
Rückblende: Am Neujahrstag 1999 habe ich Manuel zum ersten Mal in seinem Haus am Rhein besucht, in jener Gegend, “wo landschaft geistig wird”, wie George in Vor-abend war es unsrer bergesfeier sagt. Den heutigen Neujahrstag, 17 Jahre später, nehme ich zum Anlass, dem verstorbenen Freund einen Brief zu schreiben, in meiner kleinen Serie von Briefen an Dichter, deren Bücher ich gerade (wieder-)gelesen habe. Nachzulesen ist er auf dem Blog der Zeitschrift Das Gedicht.
Frühere Briefe gingen an Harry Oberländer, Jürgen Egyptien und Joshua Mehigan, am 1. Februar folgt der nächste. Die Texte sind eine Mischung aus Offenem Brief zu Lyrik und Gesellschaft, bewusst parteiischer Rezension und vertrautem Austausch. Und damit hoffentlich auch weniger langweilig als Rezensionen, die ihre eigene Voreingenommenheit vertuschen.